Hibrido de Timor - Widerstand auf allen Ebenen

Hibrido de Timor ist neben S795 ein weiteres Arabicoid, eine Kreuzung der Arten C. Arabica und C. Canephora. Er stellt die Grundlage der größten Arabicoid-Gruppe dar, die inzwischen aus zahlreichen Linien und Hybriden besteht. Vermutlich liegt in ihr das derzeit größte genetische Potenzial zur Anpassung der Kaffeeproduktion an den gegenwärtigen Klimawandel mit verstärktem Auftreten von Kaffeerost (CLR) und anderen sich weltweit fulminant ausbreitenden Erkrankungen der Kaffeepflanzen.Die erste Híbrido de Timor (HT oder HdT)-Pflanze wurde 1917 auf der Insel Timor in Indonesien entdeckt und beschrieben (Bettencourt 1973) und als HT CIFC 4106 registriert. Die Pflanze soll eine Spontankreuzung aus Coffea arabica var. tipica (4 x = 44) und Coffea canephora (2 x = 22) sein. Aus HT CIFC 4106 wurden diverse andere HT-Linien entwickelt.

Über Resistenzgene (insbesondere das SH3-Gen) gegen den Kaffeerost (Hemileia vastatrix) („Coffee Leaf Rust“ (CLR)), sind die aus HdT gewonnenen Hybriden erheblich widerstandsfähiger gegen die unterschiedlichen Typen des Kaffeerosts als andere Arabica-Varietäten. Eine ähnliche Widerstandsfähigkeit bilden daneben nur die S795-Arabicoide (aus C. Arabica und C. Liberica). Arabicoide bieten durch ihre höhere Biodiversität mehr Abwehrstärke als die geringer differenzierten Tipica- oder Bourbon-Linien.

Neben der hohen Resistenz gegenüber Kaffeerost weisen HdT-Cultivare eine höhere Widerstandsfähigkeit auf gegenüber Coffee Berry Disease (CBD), ausgelöst durch „Colletotrichum coffeanum“, Wurzelnknotennematoden (Meloidogyne exigua, M. incognita, M. coffeicola, Pratylenchus brachyurus) und Kaffee-Bacteriosis hervorgerufenen durch „Pseudomanas syringae pv. garcae“. Eine ganze Menge Widerstand, basierend auf erweiterter genetischer Diversität.

Die ersten HdT-Cultivare wurden in Kenia, Brasilien (1976), Kolumbien und Costa Rica für den Anbau freigegeben. Das Saatgut für den Anbau stammte aus den Forschungszentren von CIFC (Centro de Investigaçã̃o de Ferrugem do Café, Portugal), IIAA (Instituto Investigação Agronomica de Angola) und ERU (Estaçã̃o Regional de Uige) (Pereira et al. 2002).

Die HdT-Gruppe läßt sich vereinfachend in einige große Linien einteilen:

Catimor-Linie (HdT x Caturra), Sarchimore-Linie (HdT x Villa Sarchi), Cavimor-Linie (HdT x Catuaí), Icatú-Linie (HdT x Mundo Novo), die SLN9-Linie (HdT x Tafarikela) und Ruiru-Linie (HdT x Rume Sudan). Alle untergliedern sich in zahlreiche lokal angepasste Hybride.

Im Geschmacksprofil überzeugen sie durch feine Steinobstnoten, mit Tönen von Aprikose, Pfirsich, Kirsche, Mango und Pflaumen. Viel zu selten angebaut und bei Verkostungen in der Kaffeebranche weitestgehend unbekannt und unterschätzt, fristen sie ein Dasein wie ehemals der Dornfelder, der zunächst nur als „Deckwein“ für den meist zu farblosen schwäbischen Lemberg eingesetzt wurde. Sein Potenzial als sortenreiner Wein wurde erst spät entdeckt. Inzwischen ist der Dornfelder zu einem bei Kennern sehr beliebten Rotwein avanciert.

Durch die hohe Widerstandsfähigkeit unterstellt man den HdT-Linien völlig zu Unrecht ein schlechtes Flavour-Profil, was dazu führte, dass diese Kaffees bei Spezialitätenfarmern fast niemals angebaut wurden und daher dem Spezialitätenmarkt nur in geringem Umfang zugänglich sind. Alleine die Genetik vieler dieser Linien mit afrikanischen Wurzeln beim SLN9 und Ruiru-11 sollten stutzig machen, wann immer der „schlechte“ Geschmack gegen den Anbau dieser Kaffees ins Feld geführt wird. So sind diese doch zu 50 % aus halbwilden äthiopischen und sudanesischen Varietäten, die zu den erlesensten Kaffees zählen.

Bis heute halten sich hartnäckige Vorurteile gegenüber HdT und die aus ihm entwickelten Linien. Kaffeepflanzen, die eine solchermaßen hohe Widerstandskraft besitzen, müssen doch den Makel des schlechten Geschmacks besitzen. Jedoch genügt eine Verkostung, um die meisten Profis und Kaffeekenner von den außerordentlichen Geschmackseigenschaften und der einzigartigen Bandbreite dieser Kaffees zu überzeugen.

Die meist vollkommen erdachten negativen Geschmacksbeschreibungen trugen sicherlich maßgeblich dazu bei, die Verbreitung der HdT-Linien zu behindern – die chemische Industrie mit ihrem großen Pestizid-Sektor wird sich darüber sicherlich gefreut haben. Inzwischen verschlingt die Behandlung von hochanfälligen Tipica- und Bourbon-Pflanzungen gegen den Kaffeerost Millionenbeträge und viele Farmer in Zentralamerika stehen vor dem finanziellen Aus. Auch in diesem Punkt zeigt sich eine Ähnlichkeit zur anderen großen Arabicoid-Gruppe, der S795-Linie, bei der ebenfalls in Unkenntnis erdachte schlechte Geschmackseigenschaften stehen.

Insbesondere durch seine balancierte Säure eignen sich HdT-Kaffees hervorragend für eine nasse Aufbereitung mit Fermentation (fully washed), um dort Pfirsichnoten zu präsentieren. Durch die hohe Süße beim „pulped natural“ und der Trockenen Aufbereitung „natural“ entstehen Töne, die an getrocknete Aprikosen und reife Mango erinnern. Zusätzlich entwickeln die Kaffees feine Vanille- und Karamellaromen sowie Nußnoten.

Die HdT-Hybride eignen sich daher sowohl als Kaffees in hellerer Röstung als auch für Espressoröstungen, ohne dabei mit der Säure zu übersteuern, wie dies besonders bei den Bourbon-Linien aber auch beim Tipica leicht entstehen kann. Es gibt nur wenige Kaffeevarietäten, die ein solchermaßen ausgewogenes Flavourprofil mit sich bringen. Auch dies ist der großen genetischen Bandbreite geschuldet.

Heller geröstete Kaffees bieten – als Cold Brew zubereitet – feine Kirschnoten und Apfeltöne. Diese reichen je nach Bodentyp von grünem Apfel bis zum roten Dörrapfel.

Auffällig ist das starke „Repräsentieren“ der Anbauhöhen – die Kaffees gewinnen insbesondere in tieferen Lagen im Bereich des Körpers, der dann sehr ausgeprägt ausfällt. Icatú-Hybriden um 1.000 m sind daher einzigartige Kaffees für hellere Espressoröstungen, ohne dabei zu wenig Körper zu bieten. Leider sind diese Kaffees viel zu selten, denn sie entsprechen den Erwartungen der „Kaffee-Experten“ weder in Anbauhöhe noch in Varietät. Der Icatú (besonders der gelbkirschige) ist einer der beliebtesten Kaffees im japanischen Spezialitätenkaffeemarkt.

Ich erinnere mich genau an meine erste Verkostung eines Icatú amarelo der Fazendas Dutra in Brasilien - ein Kaffee, der mich auch heute noch mit seinem Körper und den ausgewogenen Fruchttönen immer wieder aufs Neue fasziniert. Es ist ein seltener Kaffee, der zumeist in Brasilien, jedoch auch auf Hawaii (dort allerdings in einer lilafarbenen Untervarietät) angebaut wird.

Sowohl vulkanische als auch ferralsolische Böden (hoher Eisenoxid- und Aluminiumgehalt) bieten dem Kaffee ideale Bedingungen, erstere für nussige, karamellige Töne, die eisenhaltigen für fruchtigere Noten. Die hohen genetischen Bandbreiten dieser Kaffees erlauben eine starke Anpassung an das jeweilige Terroir dieser Pflanzen, die mit zunehmendem Alter der Pflanzen zu verbesserten Flavour-Profilen führt. Damit stehen die HdT-Linien im Gegensatz zu Tipica- oder Bourbon-Linien, die in vielen Anbauregionen ohne ideale Wachstumsbedingungen der Terroirfaktoren ihre geschmacklichen Charakteristiken nach und nach einbüßen.

Es bleibt zu erwarten, daß aus diesen Linien in den nächsten Jahren noch einige Spitzenkaffees hervorgehen werden. Viele internationale Verkostungen haben die Varietäten – leider ohne große öffentliche Wahrnehmung – gewonnen. In Indien der SLN9, Obatá, Tupí und Icatú in Brasilien, Sarchimore-Hybriden in El Salvador, Mexiko, Costa Rica, …

Mein Zusammentreffen mit einem Obatã von O’coffee aus Riberao Preto bei Octavio Café in São Paulo - dieses mal als Filterkaffee zubereitet war ebenfalls ein beeindruckendes Geschmacksereignis. Der SLN-9 von Badra Estates in Indien ist einer der am höchsten ausgezeichneten Kaffees der Welt - und das zu Recht.

In unserer Kaffeesammlung befinden sich inzwischen zahlreiche HdT-Kaffees aus verschiedenen Ländern und Farmen: Indien, Mexiko und Brasilien. Es fragt sich nun nur noch, wann auch diese Kaffees endlich die Anerkennung und Wertschätzung in der Breite der Kaffeegesellschaft erhalten, die ihnen von Geschmacks wegen zustehen.